Die Schlag & Söhne-Orgel in der Stephanus-Kirche

in Berlin-Wedding

 

 

 

Die St. Pauls-Kirchengemeinde bekam 1902-1904 eine zweite Kirche, deren Sprengel 1905 selbstständig wurde. Der mit opulenter Flächenornamentik versehene Innenraum ist dreiseitig von Emporen umgeben, deren mittlere rückseitig durch die Orgel abgeschlossen ist; das Instrument wurde, nicht als eigenständiger Körper erfassbar, in das über der Eingangshalle liegende, geschlossene Joch unter drei gedrückten Spitzbögen eingepasst und mit einem reich gegliederten, aber flächigen Prospekt geschlossen. Errichtet wurde es 1902-1904 als opus 681 von der Firma Schlag & Söhne, Schweidnitz/Schlesien. Vorher war es auf der Ausstellung für Handwerk und Kunstgewerbe in Breslau gezeigt worden. Man darf also annehmen, dass beim Bau mit besonderer Sorgfalt vorgegangen wurde.

Dass von den ohnehin nur vier Berliner Orgeln dieser Firma gerade diese erhalten geblieben ist, ist als besonderer Glücksfall zu betrachten. Der Vergleich mit den heute noch erhaltenen Orgeln aus der Werkstatt Wilhelm Sauers ist recht aufschlußreich, war doch die Firma aus Schweidnitz bekannt für die klangliche Schönheit ihrer Instrumente.

Neben den beiden repräsentativen Aufträgen für die Berliner Philharmonie (1888) und den Umbau der Marien-Orgel (1892-1894) fällt das Werk für die Stephanus-Kirche eher an das Ende der Blütezeit der Werkstatt. Diese Periode deckt sich mit dem Wirken Oskar Schlags (1848-1918), dem Sohn des Firmengründers Christian Gottlob (1803-1889), der die Firma zusammen mit seinem Bruder Theodor führte. Wenn er auch als Gründer des Vereins deutscher Orgelbaumeister im Bereich technischer Konstruktion führend war, so müssen Klangaufbau und Intonation seine eigentliche Leidenschaft gewesen sein. Die Stephanus-Orgel ist ein Musterbeispiel für die Qualität sensibler Einzelstimmen und deren optimale Verschmelzung. Nur Mixtur und Posaune dominieren in ihrer Weise und geben dem Tutti die nötige Helligkeit und Stärke.

Der Orgelsachverständige Paul Hammermeister gestand der Orgel 1964 “saubere handwerkliche und materialmäßig einwandfreie Arbeit” zu. Auf eine Umdisponierung sei bei der notwendigen Instandsetzung verzichtet worden, “da das Werk als dauerhaftes Denkmal noch weitere Jahrzehnte überstehen wird.” Dagegen stellt ein Gutachten von 1963 fest: “Jedwede Orgelliteratur läßt sich weder technisch noch klanglich darstellen.” Erhaltung und Pflege lohnten sich vornehmlich nur “aus Gründen der Denkmalpflege.” Es sollte zwar “die klangliche Substanz nicht verändert werden”, für “die praktische Brauchbarkeit der Orgel wären aber klangliche Besserungen unumgänglich”, d. h. drei Register sollten ausgetauscht, eines umgestellt und die Klangkronen umintoniert werden.

Demgegenüber schlug die Firma Karl Schuke vor, die Originalsubstanz unangetastet zu lassen; sie arbeitet 1964 einen Kostenvoranschlag für den Einbau von 10 Registern aus. Ausgeführt wurde 1970-1971 dann aber nur eine Elektrifizierung der mittlerweile unbrauchbar gewordenen pneumatischen Traktur mit neuem Spieltisch. 1989 wurden von der Berliner Orgelbauwerkstatt Karl Schuke die Zungen überholt. Seitdem erstrahlt das Instrument, dass von allen Berliner Orgeln aus dieser Zeit vielleicht die beste Intonation aufweist, wieder in altem klanglichen Glanz.

 

(Auszüge aus dem Text über die Schlag & Söhne-Orgel in dem Buch “500 Jahre Orgeln in Berliner Evangelischen Kirchen”, mit freundlicher Genehmigung des Pape-Verlages und Herrn Ulrich Schmiedeke)

 

Die Disposition:

 

I  MANUAL

C-f3

II MANUAL

C-f3

 

 

 

 

Prinzipal

16‘

Prinzipal

8‘

Prinzipal

8‘

Bordun

16‘

Hohlföte

8‘

Portunalflöte

8‘

Gemshorn

8‘

Salizional

8‘

Gambe

8‘

Quintatön

8‘

Doppelflöte

8‘

Prinzipal

4‘

Offenflöte

8‘

Rohrflöte

4‘

Octave

4‘

Piccolo

2‘

Rauschquinte II

2 2/3‘ + 2‘

Program.Harm. II-III

 2 2/3‘

Mixtur III-VI

 13/5

Klarinette

8‘

Kornett I-III

 13/5

 

 

Trompete

8‘

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

III MANUAL

C-f3

PEDAL

C-f1

 

 

 

 

Flötenprinzipal

8‘

Principalbaß

16‘

Gedackt

16‘

Violon

16‘

Aeoline

8‘

Subbaß

16‘

Vox coelestis

8‘

Lieblich Gedackt

16‘

Lieblich Gedackt

8‘

Octavbaß

8‘

Traversflöte

4‘

Violoncello

8‘

Fugara

4‘

Quinte

102/3‘

Harm. Aeth. II-III

2 2/3‘

Baßflöte

8‘

 Vox humana

8′

Aeoline

8‘

Tremulant Vox humana

 

Posaune

16‘